Es ist die Welt der Rapper, Sprayer und Hip Hopper, in der sich so genannte "Namerings", also mit dem eigenen Namen verzierte Ringe, schon seit langem beliebt sind. In dieser Community spielt die Erfindung neuer Identitäten eine ganz entscheidende Rolle. Man gibt sich in der Gruppe einen neuen, oft witzigen Namen und entwirft einen eigenen Schriftzug, einen unverwechselbaren Style, der die eigene Individualität und Authentizität bezeugen soll. Ob als ‚tag' der Graffitti-Sprayer im Sinne einer schriftlichen Duftmarke zur Reviermarkierung im Stadtraum oder als massiver Goldring, den so genannte ‚Gangsta-Rapper' tragen: Der Name wird wie eine Künstlersignatur inszeniert. Folgerichtig bezeichnen sich die Hip Hopper und Writer auch gerne als ‚Artists'. Sie können an jene Tradition der Kunstgeschichte anknüpfen, die den Künstler als einen Außenseiter der Gesellschaft begreift. Ganz ähnlich situieren sich auch diese ‚Artists' in einem ausgegrenzten Raum, der soziale Durchlässigkeit verspricht, nämlich den Aufstieg vom Ghettokind zum Superstar der Pop-Kultur.
annette hollywood bezieht sich nicht nur mit ihrem eigenen Künstlerring auf diesen Kontext, sondern auch mit den ARTIST NAME RINGS für ihre Künstlerkollegen, die als Zeichnungen wie auch als Kleinskulpturen seit 2007 entstehen. Wir begegnen in den Skizzen etwa Markus Rüpeltz alias Markus Lüpertz, der als Malergenie gerne mal den Mund zu voll nimmt, Jonathan Keese alias Meese, dessen Werk trotz Medienhype von kritischen Zeitgenossen immer wieder qualitativ in Zweifel gezogen wird oder Vanessa Nocraft alias Beecroft, über deren künstlerische Tiefe schon mancher Feuilleton-Artikel sinnierte. Diese auf den ersten Blick etwas ‚platt' wirkenden Sprachspiele greifen die ebenfalls aus der Hip Hop-Welt bekannte Tradition des ‚Dizzens' auf. Gemeint ist damit ein öffentliches Beschimpfen und Beleidigen von Konkurrenten, die einen anderen Stil vertreten bzw. einer anderen ‚Gang' oder ‚Crew' angehören. Was annette hollywood mit ihren künstlerischen Adaptionen solcher subkultureller Praktiken geschaffen hat, ist eine postmoderne Allegorie auf die Funktionsweisen des zeitgenössischen Kunstsystems. Es geht darum, sich zu positionieren und abzugrenzen, die eigene Innovation durch Überwindung der als überholt deklarierten Vorgänger zu behaupten – ein altbekanntes Phänomen der Avantgarden. (Sabine Kampmann)
Artist Namerings
